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19.01.2022

Praxisforschung aktuell

Erwartungen: Pädag.-Prakt. Studien aus der Sicht der Beteiligten

Foto: fiedlerphoto.com

19. Jänner 2021 – Vor dem Hintergrund der Dienstrechtsnovelle Pädagogischer Dienst werden die Ausbildungsformen für Lehrpersonen für die Primarstufe in Österreich einer tiefgreifenden Neukonzeption unterzogen. Unter anderem wird diese Neukonzeption genutzt, um sich einer schon lange bestehenden Kritik zu widmen, denn der Lehrerausbildung wird von Seiten der Studierenden vorgeworfen, sie sei praxisfern und würde nur ungenügend auf den Berufsalltag vorbereiten. Die vermeintliche Lösung wäre es, schulpraktische Phasen in der Ausbildung auszuweiten. Allerdings bringen auch derartige Interventionen die Kritik nicht zum Verstummen. Dies kann als erlebte kognitive Dissonanz interpretiert werden: die Erwartungen an die Ausbildung stimmen nicht mit dem tatsächlich Erlebten überein und diese wahrgenommene Diskrepanz mündet dann in den Ruf nach mehr Praxis.

Eine österreichweite Studie von Mag. Ruben Kulcsar widmet sich den sogenannten Elementen der Lehrerbildungspraxis. Damit sind methodische Settings im weitesten Sinn gemeint, die in der hochschulischen Lehre eingesetzt werden, z. B. Vermittlung von Techniken, Training, Reflexion etc. Es wurden im Vorfeld insgesamt sieben solcher Elemente als bedeutsam identifiziert, die aus den zwölf Figuren der Relationierung nach Neuweg (2004) von Lehrerwissen und Lehrerkönnen abgeleitet worden sind. Für diese sieben Elemente soll erfasst werden, welche subjektive Bedeutsamkeit ihnen zugesprochen wird. Zudem ist auch das subjektive Empfinden dieser Elemente von Interesse, d.h. in welchem Ausmaß jemand diese Elemente in seinem Studium erlebt hat. Eine Diskrepanz liegt dann dort vor, wo es eine Abweichung zwischen den Erwartungen an das Studium (= Bedeutsamkeitszuschreibungen) und dem Empfinden im Studium gibt.

Das Institut für Praxislehre und Praxisforschung der Pädagogischen Hochschule Steiermark partizipierte an dieser Studie und führte 2020 eine Vollerhebung mittels Online-Fragebogen unter den Studierenden der Lehramtsausbildungen für die Primarstufe (n=403), die Sekundarstufe Allgemeinbildung (n=1306) sowie die Sekundarstufe Berufsbildung (n=80) sowie unter den Praxislehrpersonen (Mentor*innen der Ausbildung) (n=370) durch.

Die Ergebnisse bestätigen das Phänomen, dass der offensichtliche Wunsch nach "mehr Praxis" ein Ausdruck für erlebte Dissonanz darstellt. Während das Machen eigener Erfahrungen bzw. das Learning-by-Doing in Realsituationen ein Element der Lehrerbildung aus vielen darstellt, so ist es in der Erwartung der Studierenden omnipräsent und scheint die Antwort auf alle Fragen zu sein. Ziel muss es demzufolge sein, die Elemente der Lehrerbildung in ihrer Gesamtheit verstärkt zu präsentieren und Einsichten in ihre Bedeutsamkeit und ihre Wirkung zu vermitteln, sodass diese gleichermaßen im Erleben der Studierenden wahrgenommen werden und eine differenzierte Erwartungshaltung angebahnt werden kann, die über den einseitigen Ruf nach mehr Praxis hinausgeht.

Kontakt:
praxis@phst.at